Grenzen der Mediation: Die "Jeder-für-sich-Themen"

Wenn ich im Rahmen einer Hofübergabe eine Mediation leite, dann steht zu Beginn die Suche nach den Themen. Worum geht es hier genau? Wo drückt der Schuh? Was muss alles besprochen und geklärt werden? Was ist Allen wichtig? Häufig kommt bei einem komplexen Vorgang wie einer Hofübergabe eine lange Liste heraus.

Auf dieser Liste stehen dann Themen wie: Der Umgang mit der Wohnsituation, Gerechtigkeit unter den Geschwistern, der Umgang mit Wertschätzung, Erhalt des Betriebes, Neuorganisation der Zusammenarbeit, …

Die vielen Themen werden dann von mir unterteilt in „Miteinander – Themen“ und „Organisatorische Themen“. Ich beginne die Mediation IMMER mit den Miteinander - Themen! Beim Miteinander geht es häufig um den Umgang mit Wertschätzung und Vertrauen, gelebte Verbindung und Generationengerechtigkeit. Das sind die intensiven, schwierigen Themen. Oft kommen alte Verletzungen und schwierige Situationen aus der Vergangenheit zur Sprache, wenn es um diese Themen geht. Das kann mitunter sehr tief führen und emotional werden. Manche Familien sind davon überrascht und fragen sich, ob dies denn nötig ist, wenn doch „NUR“ die Hofübergabe besprochen werden soll.

Meine Antwort ist in der Regel: Wenn Ihr Konflikte im Rahmen einer Hofübergabe habt und diese Themen und Geschichten im Rahmen einer Mediation zur Sprache kommen, dann spielen sie auch eine Rolle. Es ist mein Anspruch als Mediatorin, dass meine Kundinnen im Rahmen einer Mediation nachhaltige Lösungen finden, die eine ganze Generation tragen. Wenn Schwieriges und Verletzendes im Miteinander ungeklärt bleiben, dann besteht die Gefahr, dass gefundene Lösungen keinen Bestand haben. Andersherum können bei einem geklärten Miteinander meist viele organisatorische Themen ohne meine Begleitung geklärt werden. Und das ist dann auch ein Ziel der Mediation: Dafür zu sorgen, dass konstruktive Gespräche in Zukunft auch ohne Unterstützung möglich sind!

Im Verlauf der Klärung kann es auch passieren, dass wir über Themen stolpern, die weder „Miteinander – Themen“ noch „Organisatorische Themen“ sind. Ich nenne sie die „Jeder – für – sich – Themen“. Dies sind zum Beispiel Themen wie Existenzängste, Mangelnde Selbstfürsorge oder auch Schwierigkeiten in der Beziehung eines Paares. Dies sind Themen, die die Dynamik innerhalb einer Familie stark beeinflussen können. Hat ein Übergebender starke Existenzängste, weil sein Leben von Knappheit und Armut geprägt war, kann dies Gespräche über ein Altenteil oder anstehende Investitionen zu einem Drahtseilakt machen. Gleichzeitig können diese Ängste zwar zum Teil von der Familie getragen werden, aber nicht im Miteinander gelöst oder geklärt werden. Auch die Beziehung eines Paares darf nicht mit der ganzen Familie „verhandelt“ werden. bei den „Jeder – für – sich – Themen“ sind die Grenzen der Mediation, also der Klärung im Miteinander, erreicht. Es ist für den Erfolg einer Mediation nicht immer erforderlich, dass diese Themen geklärt werden. Ich habe jedoch erlebt, dass das Miteinander einen echten Boost bekommt und Mediationen viel einfacher und schneller vorangingen, wenn „Jeder – für – sich“ auch die entsprechenden Themen angegangen ist. Dies kann auf vielfältige Weise geschehen. Einem Kunden ist es beispielsweise gelungen, leichter loszulassen, indem er Tagebuch geschrieben hat. Andere Kunden haben beschlossen, ergänzend zur Mediation Einzelcoachings in Anspruch zu nehmen. 

Nicht alles, was das Miteinander schwierig macht, gehört an den Verhandlungstisch in großer Runde. Nicht alles kann dort geklärt werden. In diesen Fällen sind neben der gemeinsamen großen Reise auch Ausflüge Einzelner hilfreich. Diesen Raum braucht es im Miteinander und bei Klärungen zu Hofübergaben.

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